Verfasser unbekannt
Stolz gegen Stolz
Zur Zeit meiner grünen und tugendsamen Jugend lernte ich zwei Edelleute kennen, hübsche Gesellen, wohl versehen und geschmückt mit allem, was man bei einem gutgesitteten Edelmann loben muß oder kann. Diese beiden waren so eng miteinander verbunden, befreundet und sich so innig zugetan, daß sie stets die gleichen Kleider trugen und ebenso ihre Leute und ihre Pferde übereinstimmend kleideten und schmückten.
Nun geschah es, daß sie sich in zwei schöne, junge und anmutige Mädchen verliebten und nach besten Kräften sich bemühten, ihnen ihre Leidenschaft kundzutun und zu erklären, sie würden ihnen treu dienen und ihr Besitz stände zu ihrer Verfügung; und sie sprachen noch von hunderttausend Dingen, die sie für sie tun wollten. Sie wurden angehört, aber das war auch alles. Vielleicht hatten die Mädchen bereits Liebhaber oder wollten sich nicht in Liebeshändel einlassen; um der Wahrheit die Ehre zu geben, es waren alle beide hübsche Gesellen und wohl wert, von ebenso ehrbaren Frauen, wie sie waren, in Gnaden aufgenommen zu werden. Wie dem auch sei, sie wußten trotzdem nicht ihre Huld zu gewinnen und verbrachten manche Nacht Gott weiß in welchem Jammer und verwünschten ihr Geschick, die Liebe und oft auch ihre Damen, die sie so zurückhaltend fanden.
Während sie in diesem argen Zustand und dieser maßlosen Sehnsucht schmachteten, sagte der eine zu seinem Gefährten: »Wir sehen, unsere Damen kümmern sich nicht um uns, und trotzdem verzehren wir uns sehnsüchtig nach ihnen, und je mehr sie uns ihren Stolz und ihre Zurückhaltung zeigen, um so mehr streben wir ihnen zu gefallen, zu dienen und zu gehorchen, was wahrhaftig eine große Dummheit ist. Wir wollen uns doch um sie ebensowenig wie sie sich um uns kümmern, und Ihr sollt sehen, wenn sie dahinterkommen, daß die Sache so liegt, dann werden sie nach uns in Sehnsucht entbrennen, so wie wir jetzt nach ihnen.«
»Ach«, rief der andere, »das ist wirklich ein guter Rat, der uns wohl ans Ziel bringen kann.«
»Ich bin dahintergekommen«, erklärte der erste, »und habe stets sagen hören - und in Ovids Buch 'Heilmittel der Liebe' steht es ebenfalls -, daß, wenn man sich oft und viel dem Liebesgenuß hingibt, man die, die man liebt und in die man sich stark vergafft hat, vergißt und sich wenig um sie kümmert. Nun werde ich Euch sagen, was wir tun wollen. Wir wollen in unser Quartier zwei junge Dirnen bestellen, bei ihnen schlafen und uns mit ihnen, solange wir können, dem Liebesgenuß hingeben und dann vor unsere Damen kommen, und, beim Teufel, Ihr sollt mal sehen, wie sie uns dann hochschätzen werden.«
Der andere war damit einverstanden, und so, wie sie es sich überlegt und vorgenommen hatten, ward es ausgeführt und vollbracht, und jeder hatte ein schönes Mädchen bei sich. Und danach fanden sie sich vor ihren Damen bei einem Fest ein, an dem diese teilnahmen, brüsteten sich und schritten miteinander plaudernd vor ihnen her und taten hunderttausend andere Dinge, die alle besagen wollten: Wir scheren uns nicht um euch. Sie glaubten, da sie es sich so eingeredet hatten, ihre Damen würden darüber sehr unzufrieden sein und müßten sie jetzt oder ein andermal zu sich zurückrufen. Doch es kam anders; denn taten sie schon, als kümmerten sie sich um die Mädchen recht wenig, so zeigten ihnen diese ganz deutlich, daß sie sich nicht einen Pfifferling um sie scherten. Das bemerkten sie sehr wohl und konnten sich nun nicht genug darüber wundern. Daher sagte der eine zu seinem Gefährten: »Weißt du, wie das sein wird? Bei Gottes Tod, unsere Damen haben es wie wir getrieben. Siehst du nicht, wie zurückhaltend sie sind, sie gebärden sich ganz so wie wir, daher bin ich fest überzeugt, sie haben wie wir getan. Jede hat sich einen Gesellen genommen, und sie haben bis zum Übermaß dem Liebesgenuß gehuldigt. Zum Teufel mit diesen Kröten, laßt sie laufen!«
»Wahrhaftig«, meinte der andere, »ich glaube, es ist, wie Ihr sagt. Ich habe sie noch nie so gesehen.«
So dachten die Gefährten, ihre Damen hätten wie sie getan, weil sie sich nicht um sie kümmerten, ebenso wie sie sich um sie nicht scherten, obwohl gar nichts an der Sache war, was man unschwer glauben wird.